Aus aktuellem Anlass:
Meine durch die DDR-Verhältnisse geprägte Biografie
Nach meinem Auftritt bei Markus Lanz am 15. Februar 2024 erreichen mich Fragen zu meiner Ausbildung in der DDR. Deshalb hier etwas ausführlicher als in der Sendung zu meiner damals durch die DDR-Verhältnisse geprägten Biografie.
Ich habe 1984 die für Schülerinnen und Schüler in der DDR übliche zehnklassige Polytechnische Oberschule (POS) abgeschlossen.
Die meisten Kinder mit sehr guten Noten aus meiner Klasse durften danach in die Erweiterte Oberstufe (EOS) wechseln, in der das reguläre Abitur abgelegt werden konnte. Diese sogenannte „Delegation“ zum Abitur wurde mir verweigert, obwohl ich ein sehr gutes Zeugnis hatte. Auch meine (nach einer solchen „Nichtdelegation“ noch mögliche) eigenständige Bewerbung zur EOS wurde abgelehnt.
Die wahren Gründe für die Ablehnung erfuhr man in der DDR nicht. Es kam bei diesem Zugang zum regulären Abitur nicht nur auf gute Noten an. Das DDR-Bildungssystem unter Margot Honecker war ein System, das an vielen Stellen schon bei sehr jungen Menschen darauf achtete, wer möglicherweise aus Sicht der SED-Diktatur unliebsam ist.
Ich habe dann zunächst eine zweijährige Ausbildung zur Zootechnikerin absolviert, das heißt: Ich machte eine Lehre zur Melkerin. Im Anschluss daran habe ich mich darum bemüht, das Abitur an der Abendschule nachzuholen. Auch das wurde zunächst abgewiesen. Nur mit großer Hartnäckigkeit war mir dies dann an der Kreisvolkshochschule in Dessau noch möglich. Die Fächer dieses Abendschulkurses waren gegenüber dem regulären Abitur eingeschränkt. Tagsüber arbeitete ich als Briefträgerin, abends ging ich zur Kreisvolkshochschule.
Nach der Abendschule habe ich ein Studium der Agrarwissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin absolviert. Auch hier waren die möglichen Studienrichtungen für mich aufgrund der Vorgeschichte beschränkt. Das Studium habe ich 1993 mit dem Abschluss Diplom-Agraringenieurin beendet.
Um es klar zu sagen: Mein Lebenslauf war damals nichts Besonderes. Als Bürgerrechtlerin würde ich mich selbst nicht bezeichnen, das war ich nicht. So wie mir erging es letztendlich vielen Menschen in der DDR: Willkürliche Entscheidungen, Unterordnen des einzelnen Menschen unter ein vermeintliches Kollektiv, negative Auswirkungen auf ganze Lebensläufe, wenn man tatsächlich oder auch nur vermeintlich nicht systemkonform war. Ob die Wirkmechanismen dieses Bildungssystems für Außenstehende oder heute Geborene nachvollziehbar sind, weiss ich nicht.
Wir dürfen aber nicht vergessen, zu welchen Repressalien, zu welcher Verfolgung, Diffamierung, Inhaftierung, Ausbürgerung und auch dem Ermorden von Menschen das DDR-Regime geführt hat.
Wir sollten Freiheit und Demokratie beschützen. Sie sind unendlich wertvoll.
Stand: 16.02.2024